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Projekte

Urban Gardening translokal

Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive untersuche ich hier den urbanen Gartenbau in verschiedenen kolonialen Kontexten (z.B. im Kontext der niederländischen Handelskompanien in der Kapkolonie, Batavia und New Netherland, der kolonialen Siedlungen in Nordamerika wie Germantown) und dessen Rückkopplungseffekte auf Europa. Dabei zielt das Projekt explizit nicht allein auf gelehrtes, botanisches Wissen, dessen Akteure und Produktionsorte (botanische Gärten), sondern insbesondere auf praktisches Anwendungswissen im Gemüse-, Obst- und Blumengarten ab. Ich greife bewusst auf den Begriff der Translokalität zurück. Hierunter verstehe ich in Anlehnung an Ulrike Freitag Phänomene, „die als Ergebnisse von Zirkulation und Transfer gesehen werden können, die also aus konkreten ‚Bewegungen‘“ von Menschen, Dingen, Wissen und Praktiken hervorgehen (Freitag 2005). Dabei hebt der relationale Begriff der „Translokalität auf die Vielfalt der räumlichen Ordnungen“ ab. Auf diese Weise überwindet er dichotome Gegenüberstellungen wie lokal versus global und fokussiert stattdessen auf das Ineinandergreifen von Verflechtungen unterschiedlicher Reichweite von lokal über regional und überregional bis hin zu global und eignet sich damit sehr gut für eine europäische Verflechtungsgeschichte.

Zugleich knüpfe ich mit dem Projekt an eine globale Konsumgeschichte an. Dabei richtet sich mein Untersuchungsinteresse darauf, inwiefern es durch die translokalen Verflechtungen und einer damit verbundenen Adaption neuer Nutzpflanzen oder Anbaupraktiken zu einem Wandel von Geschmack und Konsumverhalten sowohl an den kolonialen Standorten als auch in Europa kam. Dabei geht es mir darum, das Globale im Lokalen zu untersuchen sowie die Dynamik von Verflechtung und Entflechtung in den Blick zu nehmen. Von besonderer Bedeutung waren in diesem Zusammenhang die Niederlande und ihre Anrainer als Dreh- und Angelpunkt des globalen Pflanzen- und Samenhandels sowie die niederländischen Handelskompanien als Motoren dieses Handels und zugleich Arbeitgeber für Gärtner, die sowohl an Bord der Schiffe von VOC und WIC als auch vor Ort in den Handelsniederlassungen für die Aufzucht und Pflege von Gemüse und Obst verantwortlich waren. Die Niederländischen Handelskompanien legten aber auch selbst in ihren Niederlassungen Gärten an. Hierzu gehört der companies garden in Kapstadt, der zu Beginn als Verpflegungsgarten für die Halt machenden Schiffe nicht nur der VOC fungierte. Das Tagebuch des Gründers der niederländischen Kapkolonie, Jan van Riebeeck, zeugt von den Schwierigkeiten bei der Anpflanzung europäischer Gemüsesorten. Hier wurde nach dem try-and-error-Prinzip verfahren, um herauszufinden, wann die jeweiligen Gemüsesorten am besten gesät und geerntet werden konnten. Auch das Beispiel Franz Daniel Pastorius, der Begründer der deutschen Auswanderung nach Nordamerika, und dessen handschriftliche Manuskripte zum Gartenbau („Artzney und Heilkunst“ sowie „The Monthly Monitor“) eignen sich dazu, sowohl nach der Modifikation von europäischen Wissensbeständen und -praktiken als auch der Aneignung indigenen Wissens im kolonialen setting zu fragen.

Aus stärker körpergeschichtlicher Perspektive frage ich in diesem Zusammenhang zum einen danach, wie durch unterschiedliche Ernährungsweisen sowohl körperliche als auch kulturelle Differenzen zwischen unterschiedlichen ethnischen, religiösen, rechtlichen und Geschlechtergruppen konstruiert wurden. Zum anderen gilt es die Einflüsse der unterschiedlichen Tätigkeiten im Gartenbau auf die ausführenden Körper zu berücksichtigen. Denn der Unterschied zwischen einem Gentleman-Gärtner, wie er in der britischen Gartenbauliteratur in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe z.B. bei John Evelyn), der die Gartenarbeit als Mittel der Rekreation nutzte, sowie einfachen Arbeitern oder mehr noch Zwangsarbeitern, wie im companies garden in Kapstadt, liegt eindeutig auf der Hand. Hier wird bereits deutlich, dass ein solches Projekt immer auch nach den virulenten Machtstrukturen und dem ungleichen Zugang zu Ressourcen fragen muss. Wer arbeitet in den Gärten? Wer hat Zugang zu welchen Ressourcen mit welchen Konsequenzen?

Schließlich spielen hier Fragen der Migrationsgeschichte eine wichtige Rolle, deren Zugänge für die Erforschung von Wissen und Mobilität unerlässlich sind. So handelt es sich bei den Gärtnern im Dienst der niederländischen Handelskompanien um Arbeitsmigranten, während im companies garden in der Kapkolonie zwangsmigrierte Sklaven aus Batavia, später Mozambique, arbeiten mussten. In New Amsterdam sind es hingegen wohlhabende niederländische Emigranten wie Peter Steuyvesant, die umfangreiche Gärten anlegten.

Habilitationsprojekt (abgeschlossen)
 
Die geschriebene Stadt - Das Wissen städtischer Inschriften in der Frühen Neuzeit

 

Betrachtet man die zeitgenössischen Überreste frühneuzeitlicher Städte, so fällt auf, dass zahlreiche Texte das Stadtbild prägten. Neben ephemerer Schriftlichkeit gehören hierzu Inschriften auf unterschiedlichen immobilen Trägern innerhalb der Stadt – eine Praxis, die sowohl auf dem Gebiet des Alten Reiches als auch in anderen europäischen Ländern verbreitet war. In den Inschriften wurden materialisierte Aussagen angeeigneter Wissensbestände artikuliert und in den Stadtraum eingeschrieben. Das Projekt nimmt einerseits die Funktionen solcher Inschriften, andererseits die Historizität der darin materialisierten Aussagen in den Blick, um zu ermitteln wie spezifische an Objekte gebundene Wissensbestände Wirklichkeit konstituieren und Bedeutung wirkmächtig generieren. Dem liegt die Vorstellung von der Stadt als Text und von städtischen Inschriften als Form kultureller Sinnstiftung zugrunde. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der ordnungsstiftenden Funktion von Inschriften in Raum und Zeit in einer vermeintlich unübersichtlichen Stadt geschenkt. Auf diese Weise tritt die Stadt als Erfahrungs- und Wahrnehmungsraum (mental map) in den Fokus der Untersuchung. Im Zentrum des Projekts steht somit die Frage, was städtisches Leben am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit für die Stadtbewohner bedeutete und welche Rolle das Medium Inschrift und dessen spezifische Materialität in diesem Prozess der Bedeutungsgenerierung spielte. Ziel ist die Entschlüsselung des internen wie externen Verweissystems städtischer Inschriften, sprich ihres zeitgebundenen urbanen Codes.

Die empirische Basis der Untersuchung bilden vier Städte verschiedenen Typs aus dem Nord-Westen und Süden des Alten Reiches, die vergleichend analysiert werden. Ein solcher Vergleich trägt ebenso der Spezifik unterschiedlicher Städtelandschaften wie auch den überregionalen Ähnlichkeiten Rechnung. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über den Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit mit deutlichem Fokus auf die frühneuzeitliche Stadt (ca. 1450-1670), um so aber gleichsam Kontinuitäten und Brüchen nachzuspüren. Methodisch knüpfe ich mit dem Projekt an die Praxeologie an, die eine essentialistische, rein textimmanente Interpretation der Befunde verhindert und sich stattdessen auf das Zusammenspiel von Praktiken, impliziten Wissensordnungen, expliziten Aussagesystemen und Materialität fokussiert. Das große Innovationspotential des beantragten Projektes basiert auf der Verknüpfung verschiedener kulturwissenschaftlicher Ansätze. Insbesondere mit der Anwendung von Ideen der urban semiotics auf einen historischen Untersuchungsgegenstand und der Verbindung mit der Praxis-Theorie betritt das Projekt Neuland. Ein eher klassischer Gegenstand wie die vormoderne Stadt wird auf diese Weise neu perspektiviert sowie eine kaum berücksichtigte Quellengattung und deren mediale und materielle Implikationen erstmals unter kulturwissenschaftlichen Fragestellungen systematisch analysiert.

 

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Promotionsprojekt (abgeschlossen)
 
Die Herrschaft der Damenstifte Herford, Quedlinburg und Essen zwischen Verwandtschaft, Lokalgewalten und Reichsverband (17./18. Jahrhundert)
 
Jean Bodin hat in seinem 1576 veröffentlichten Werk „Six Livres de la République“ klar die Herrschaft von Frauen verneint: „weil die Gynokratie im klaren Widerspruch steht zu den Gesetzen der Natur, die dem männlichen Geschlecht und nicht etwa der Frau die Gaben der Stärke, der Klugheit, des Kämpfens und des Befehlens verliehen hat.“ Diese Auffassung fand nicht nur im frühneuzeitlichen staatstheoretischen Diskurs nachhaltigen Widerhall, sondern auch in der historischen Forschung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die den Frauen die Befähigung zur Herrschaft absprach und damit die Legitimität weiblicher Herrschaftsausübung in Frage stellte. Es ist vorrangig das Verdienst der sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts etablierenden Frauen- und Geschlechterforschung, dass diese Annahme weiblichen Ausschlusses aus der öffentlich-politischen Sphäre grundsätzlich in Zweifel gezogen wurde. Die Darstellung Bodins steht in deutlichem Widerspruch zu den faktischen Möglichkeiten politischen Handelns von hochadligen Frauen als Regentinnen wie auch Herrscherinnen aus eigenem Recht in der Frühen Neuzeit.
Ein Spezifikum des Alten Reiches stellen in diesem Zusammenhang die Äbtissin der kaiserlich frei-weltlichen Damenstifte dar, welche gleichzeitig reichsunmittelbare Fürstinnen des Reiches mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag waren. Die Fürstäbtissinnen, deren Untersuchung ein Desiderat der Forschung darstellt, vereinten in ihrem Amt sowohl geistliche wie weltliche Herrschaftsrechte. Neben ihrer Funktion als Vorsteherinnen der Stifte unterstanden ihnen – zugegebenermaßen – kleine bis kleinste stiftische Territorien, die sie als Landesherrinnen regierten.
Das Projekt fragt danach, inwiefern es diesen kleinen Reichsständen gelungen ist, in ihren weltlichen wie geistlichen Herrschaftsgebieten eigenständig agierend aufzutreten und ihren reichsständischen Status innerhalb der territorialen Konkurrenz im Laufe der Frühen Neuzeit zu verteidigen. Drei Aspekte stehen dabei im Zentrum der Analyse: erstens die symbolischen, verfahrenstechnischen und diskursiven Formen herrschaftlicher Repräsentation, ständischer Partizipation und territorialer Gewalt, zweitens die Einbindung der Fürstäbtissinnen in die politischen und sozialen Netzwerke der ständischen Gesellschaft und drittens die Instrumentalisierung der ersten beiden Punkte für den Erhalt der Reichsstandschaft und der eigenen Handlungsspielräume. Grundsätzlich wird hierbei nach der Relevanz solcher Kategorien wie Stand, Status, Geschlecht und Konfession für die Positionierung der Fürstäbtissinnen im öffentlich-politischen Raum der ständischen Gesellschaft gefragt.
Diesen Fragen wird anhand der drei Stifte Herford (reformiert), Essen (katholisch) und Quedlinburg (lutherisch) vergleichend nachgegangen. Mit der Auswahl konfessionell unterschiedlich ausgerichteter Stifte wird zugleich der konfessionellen Pluralität des Alten Reiches Rechnung getragen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Westfälischen Friedensschluss (1648), mit dem die Existenz der kaiserlich frei-weltlichen Damenstifte grundsätzlich in der Reichsverfassung verankert wurde, bis zu ihrer Auflösung im Zuge der Säkularisation (1802/03).

 

 

 
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